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Stellungnahme zu CETA

In dieser Woche ist im Deutschen Bundestag über Anträge zum CETA-Abkommen mit Kanada abgestimmt worden. Es lagen Anträge jeweils von Grünen und Linkspartei, die das Abkommen grundsätzlich ablehnen, und ein Antrag der Koalitionsfraktionen, der die wesentlichen Bedingungen des Beschlusses des SPD-Konvents aufgenommen hat, zur Abstimmung vor.

Davor hat am Montag der SPD-Parteikonvent darüber beraten und beschlossen. Der Konventsbeschluss enthält wichtige Vorgaben für ein gutes Handelsabkommen.  Wie dem Text zu entnehmen ist, beinhaltet er keineswegs – wie von der politischen Konkurrenz behauptet und in einigen Medien berichtet – eine endgültige Zustimmung zu CETA. Sondern er macht lediglich den Weg für die Ratsentscheidung frei und macht Vorgaben für rechtsverbindliche Klarstellungen, die in den Ratsverhandlungen oder in den Beratungen im Europäischen Parlament erreicht werden sollen. Die kanadische Handelsministerin hat bereits erklärt, dass sie dazu bereit ist. Und auch von den Gewerkschaften wird dies unterstützt.

Handelsabkommen, wenn sie gut sind, beinhalten die Möglichkeit, Standards, auch ökologische und soziale, zu setzen. Wer glaubt, durch die einfache Ablehnung von internationalen Handelsabkommen unser Land vor den negativen Folgen von Globalisierung schützen zu können, verkennt die Wirklichkeit. Gerade in der Vergangenheit haben international agierende Banken, Konzerne und Internetunternehmen gezeigt, wie sie deutsche und auch europäische Gesetze aushebeln und sogar ignorieren können, weil sich kein Land und keine Volkswirtschaft mehr der internationalen Vernetzung entziehen kann.  Falsch wäre es natürlich sich dieser Form der faktischen Deregulierung einfach kampflos zu ergeben oder sie durch schlechte Freihandelsabkommen auch noch zu legitimieren, wie dies Neoliberale und viele Konservative fordern. Genauso falsch ist es aber auch, zu glauben, man könne sich allein mit nationalen Regelungen schützen, wenn Produktion, Handel, Information und Geldströme längst untrennbar international verknüpft sind.

Genau auf dieser Erkenntnis basiert der Konventsbeschluss und macht Vorgaben für weiter zu erreichende Verbesserungen in Form von rechtsverbindlichen Klarstellungen bei der Einhaltung von Arbeitnehmerrechten und Sozialstandards, beim Schutz von Öffentlichen Dienstleistungen, für die Möglichkeit, Privatisierungen unbeschadet rückgängig zu machen, sowie beim Investorenschutz, der zu keiner Bevorteilung gegenüber inländischen Unternehmen führen darf.

Dies durchzusetzen ist nicht unmöglich. Auch bei der Forderung nach der Ablösung privater Schiedsgerichte durch eine internationale Handelsgerichtbarkeit in dem bereits ausverhandelten Abkommen hat man uns gesagt, das nutzt die SPD doch nur als Feigenblatt, das wird sie nie durchsetzen; jetzt ist es Bestandteil. Dass auch dies weiter von einigen Organisationen kritisiert wird, weil die Richter nur auf befristete Zeit berufen werden, hat weniger mit sachlicher Auseinandersetzung als eher mit eigenen Kampagneninteressen zu tun. Auch die Richter unseres Bundesverfassungsgerichtes werden nur auf Zeit ernannt.

Man sollte bei den Argumenten für oder gegen das Abkommen redlich bleiben. Mir ist nicht nachvollziehbar, worauf sich Aussagen stützen, dass

- für die Marktöffnung öffentlicher Dienstleistungen keine Ausnahmeregelungen gelten und

- Unternehmen die Möglichkeit bekommen sollen Schadensersatz zu fordern für entgangene Gewinne, also Gewinne, die sie möglicherweise hätten machen können.

Im CETA Abkommen sind ausdrücklich Ausnahmen für den "öffentlichen Bereich" vorgesehen. Redlicherweise lässt sich lediglich darüber diskutieren, ob diese ausreichen oder der Ansatz einer „Negativliste“ falsch ist, weil er künftige Entwicklungen nicht ausreichend schützt.

Auch die kursierenden Mutmaßungen, Gewinne wären gegenüber Staaten einklagbar, sind durch den Text zum Investorenschutz nicht gedeckt. Ausländische Investoren werden durch das Abkommen mit in- und ausländischen Unternehmen gleichgestellt, was den Entschädigungsanspruch gegenüber einem Eingriff in einen "eingerichteten Betrieb"  betrifft. Kritisch war bislang, dass dieser vor einem Schiedsgericht und nicht vor einem ordentlichen Gericht eingeklagt werden konnte. Hier haben die europäischen sozialdemokratischen Handelsminister eine Veränderung und die Einrichtung eines mit unabhängigen Richtern besetzten Handelsgerichts erreicht. Letztere scheint mir für internationale Handelsabkommen der richtige Schritt.  Die Tatsache, dass Richter nur auf Zeit benannt werden, ist nicht per se ein Beleg für ihre fehlende Unabhängigkeit. Diese Regelung gilt zum Beispiel auch für viele höchste Gerichte demokratischer Staaten.

Gleiches gilt aber auch für Argumente der Befürworter. So ist das Versprechen, durch die Abkommen würden zusätzliche Arbeitsplätze und zusätzliches Wachstum geschaffen, durch keine seriösen Studien belegt und positive Wachstumseffekte würden sehr ungleich verteilt. So wäre der Hauptprofiteur von TTIP die europäische und deutsche Automobil- und Zuliefererindustrie. Ein zugegebenermaßen – auch in meinem Wahlkreis Groß-Gerau – noch sehr wichtiger Wirtschaftsbereich. In den meisten anderen Bereichen würde eher die USA profitieren. Aber auch dies ist sehr spekulativ, da die den Automobilbereich betreffenden Kapitel noch hochumstritten sind und die USA gegenwärtig keine Bereitschaft zeigen, auf die europäische Forderung einzugehen. Im Gegenzug fordert die US-Seite, die Frage der Datenverarbeitung und des Datenschutzes auch über das Gebiet der Finanzdienstleistungen hinaus in das Abkommen mit einzubeziehen. Ein aus meiner Sicht absolutes „no go“, weil dies vor dem Hintergrund der jetzt endlich in Kraft getretenen Europäischen Datenschutzgrundverordnung die Gefahr eine Freistellung von US-Unternehmen von den in Europa geltenden Datenschutzbestimmungen und eine Aushebelung des Persönlichkeitsschutzes der europäischen Bürger  birgt. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Argumentation, CETA sei eine Blaupause für TTIP kaum durch Fakten belegen. Im Gegenteil, die US-Seite hat bereits verlauten lassen, dass sie bestimmte Regelungen aus CETA wie die Anerkennung der ILO Kernarbeitsnormen oder die Handelsgerichte auf keinen Fall akzeptieren wird.  Deshalb halte auch ich TTIP für „so gut wie tot“.

Ich habe durchaus Kritikpunkte an CETA, die sich im Wesentlichen mit den Positionen der Parteilinken in der SPD und den Forderungen zur Nachbesserung im Konventsbeschluss decken, aber ich bin ein Gegner falscher, vereinfachender und populistischer Argumente, egal ob sie von rechts oder von links kommen.

Im Grundsatz halte ich den SPD-Konventsbeschluss für richtig, ich habe aber erhebliche Probleme, was die Ungleichzeitigkeit der Abläufe betrifft. Über die vorläufige Inkraftsetzung der europäischen Teile des Abkommens, die rund 80% umfassen, wird jetzt im Ministerrat und anschließend im europäischen Parlament abgestimmt. Danach startet auch der Ratifizierungsprozess in den nationalen Parlamenten. Und erst dann kann beurteilt werden, ob die geforderten Nachbesserungen umgesetzt wurden. Wenn dies nicht der Fall ist, müsste der Bundestag dagegen stimmen.

Dieser Ratifizierungsprozess kann sich aber über mehrere Jahre hinziehen, so dass die Entscheidung im Bundestag dann erst in einigen Jahren (nach Erfahrung mit anderen Handelsabkommen teilweise sechs und acht Jahre) fiele. Meine politische Erfahrung mit solchen „Kopplungsgeschäften“ über eine längere Zeitschiene in der Vergangenheit, etwa bei der Finanztransaktionssteuer, die unsere Bedingung für die Zustimmung zum ESM-Rettungsschirm war, ist eher negativ.

Darum habe ich mich bei unserem Koalitionsantrag enthalten.

Dem Antrag der Linkspartei konnte ich nicht zustimmen, weil auch er solche unrichtigen populistischen Behauptungen enthielt. Dem der Grünen konnte ich ebenfalls nicht zustimmen, weil dort die  Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten keine Rolle spielt. Ich habe mich deshalb auch bei den beiden Oppositionsanträgen enthalten.

Gerold Reichenbach, MdB