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Atomlaufzeitverlängerung: Energiewende rückwärts?

„Durch die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke wird der Ausbau der erneuerbaren Energien stark behindert!“, stellte der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach am vergangenen Mittwoch fest. Reichenbach hatte zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Atomlaufzeit: Energiewende rückwärts?“ in die Riedhalle Groß-Gerau Dornheim eingeladen.

Neben Reichenbach nahmen auch Hans-Peter Scheerer (Stadtwerke Rüsselsheim), Thomas Rahner (Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion) und Walter Seeger (Anti-AKW-Initiative Groß-Gerau) auf dem Podium Platz, um mit den Anwesenden über das Thema Atomlaufzeitverlängerung zu diskutieren.

 

„Die Bundesregierung hat die Laufzeiten der Atomkraftwerke drastisch verlängert. Das gilt auch für den alten Pannenmeiler  Biblis A, der eigentlich schon letztes Jahr hätte abgeschaltet werden sollen“, sagte Walter Seeger, der damit die Sicherheitslücken in Biblis ansprach. „Biblis war schon bei Baubeginn in den siebziger Jahren eigentlich nicht genehmigungsfähig. Zahlreiche Störfälle belegen das!“, so Seeger weiter. Bei einem Erdbeben etwa sei es durchaus möglich, dass erhebliche Schäden entstehen könnten. „Eine Studie aus dem Jahr 2002, die die Länder Hessen, Baden-Württemberg und Bayern in Auftrag gegeben hatten, kam zu dem Schluss, dass auch Biblis vor einem Flugzeugabsturz nicht geschützt ist.“.

 

Hans-Peter Scheerer ging anschließend auf die Frage ein, ob Atomkraft denn wirtschaftlich sinnvoll sei. „Ökonomisch ist Atomenergie nur dann wertvoll, wenn der Staat dafür bezahlt.“, beantwortete Scheerer die Frage. „Eine Technik, die selbst nach 60 Jahren nicht ohne Subventionierungen auskommt, ist nicht zukunftsweisend!“, machte Scheerer klar.

 

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Kreistag Groß-Gerau Thomas Rahner berichtete von der Arbeit, die die rotgrüne Koalition auf Kreisebene bezüglich des Umsteuerns auf andere, regenerative Energiequellen geleistet hat. „Wir haben ein Strategiepapier verabschiedet, in dem wir als Ziel vorgeben, bis zum Jahr 2020 30% des Energieverbrauchs in Groß-Gerau durch erneuerbare Energien zu decken.“, sagte Rahner. Es sei allerdings alles andere als einfach, diese Ziele nach der jetzt beschlossenen Laufzeitverlängerung durch die Bundesregierung umzusetzen. „Wir sehen, dass wegen des Stromüberangebots durch die abgeschriebenen Kernkraftwerke die Investitionsbereitschaft der Unternehmen in erneuerbare Energien drastisch abnimmt.“ Dabei sei die Förderung der erneuerbaren Energien für den Arbeitsmarkt Gold wert. Im Jahr 2008 zählte die Branche bundesweit fast 280.000 Beschäftigte. Bis zum Jahr 2020 seien bis zu 500.000 Beschäftigte möglich, so Rahner. „Die Photovoltaik erlebt seit Jahren einen enormen Boom. Die Absenkung der Förderung durch Schwarz-Gelb gefährdet die Technologieführerschaft, die Arbeitsplätze und wahrscheinlich die Existenz einiger Betriebe.“. Neben der fragwürdigen Wirtschaftlichkeit der Atomenergie sprach Rahner auch die Frage der Endlagerung von Brennstäben an. „In Biblis wird zunächst bis zum Jahr 2050 Atommüll zwischengelagert.“, sagte Rahner. Die Endlagerfrage sei bisher weltweit ungelöst. „Es gibt kein in Betrieb befindliches Endlager, das den Kriterien eines dauerhaften und sicheren Einschlusses des Atommülls genügen würde.“, so Rahner abschließend.

 

Zum Thema Katastrophenschutz wusste Gerold Reichenbach zu berichten. „Sollte es tatsächlich zu einem Super-GAU in Biblis kommen, ist es um die gesamte Region schlecht bestellt!“, sagte der Katastrophenschutz-Experte der SPD-Bundestagsfraktion. Verschiedene Katastrophenschutzpläne, etwa eine Broschüre, die von RWE veröffentlicht wurde, geben nur wenig Aufschluss darüber, was passiert, wenn es tatsächlich zu einer Kernschmelze in Biblis kommen würde. „Wenn das passiert, müssten bei der hier vorherrschenden Windrichtung die gesamte Rhein-Main-Region evakuiert werden. Darauf ist kein Katastrophenschutz vorbereitet“, sagte Reichenbach. Darüber hinaus sei der Betreiber von Biblis noch nicht einmal verpflichtet für die Milliardenschäden und den Eigentumsverlust und die Schäden bei hunderttausend von Menschen aufzukommen, kritisierte Reichenbach: „Die Menschen der Region bürgen faktisch mit ihrem Eigentum für die täglichen Millionengewinne, die RWE mit dem alten abgeschriebenen Reaktoren in Biblis macht.“