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Rückblick auf alte Juso-Zeiten

In der Rüsselsheimer Stadthalle hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach zu einer ganz besonderen Station seiner alljährlichen „History Tour“ geladen.

Gemeinsam mit den alten Juso-Weggefährten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Johano Strasser und Klaus Staeck blickte Gerold Reichenbach auf das Wirken der Jungsozialisten in den Siebzigern zurück.

Im Jahr 1976, also erst einige Zeit nach dem ersten Auflehnen der Jusos gegen die eigene Mutterpartei und die Beschlüsse der damaligen Großen Koalition, trat Reichenbach in die SPD ein und kam selbst zu den Jusos. Bereits davor war die ehemalige Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Vorsitzende der Jungsozialisten und machte sich bereits zu diesen Zeiten einen Namen. Sie selbst wurde von einem Freund mit zu politischen Treffen genommen und blieb irgendwann hängen. „Ich war 1967 auf meiner ersten Juso-Konferenz und wurde als einzige Frau auch gleich zur Schriftführerin auserkoren“, berichtete sie über das damalige Rollenbild. „Deshalb habe ich bei der nächsten Konferenz den Vorsitzenden abgelöst.“ In ihren politischen Anfängen hat sich Wieczorek-Zeul, die aus Rüsselsheim kommt und lange Zeit dort gearbeitet hat, oft für Frauenrechte stark gemacht. Dass sie auch mit anderen Forderungen ihrer Zeit weit voraus war, erzählt sie am Beispiel der Finanztransaktionssteuer: „Die habe ich schon vor etlichen Jahren gefordert, und damals nur Unterstützung von Jacques Chirac und Fidel Castro bekommen.“

Der Schriftsteller Johano Strasser, von Reichenbach als „linker Cheftheoretiker“ der Jusos vorgestellt, kommt ursprünglich aus Holland. Die Proteste im Jahr 1968 waren für ihn Normalität und damals kein Grund zur Verwunderung. „Die Deutschen werden endlich normal“, dachte er sich damals. Strasser hatte in den Siebzigern mit seinen Juso-Freunden das Ziel, die „Alte-Männer-Demokratie“ abzuschaffen und selbst aktiv zu werden. „Man darf die Politik nicht den Politikern überlassen“, predigte er damals, was als Angriff auf die parlamentarische Demokratie empfunden wurde.

Ebenfalls für Zündstoff sorgten die Plakate von Klaus Staeck, der mit seinen Collagen gerne provozierte und eine bundesweite CDU-Kampagne gegen ihn auslöste. Ein Querschnitt seiner Plakatmotive seit den Siebzigern war im Foyer der Stadthalle zu sehen. Staeck ist seit 53 Jahren Mitglied der SPD, da er sich Möglichkeiten zur Mitwirkung gewünscht hatte. Von seinen damaligen Vertrauten hatte er immer gehört, dass er bei Vorstellungsgesprächen nicht erwähnen solle, dass er in der SPD sei. „Das habe ich dann aber immer als erstes erzählt“, berichtete er und konnte keine negativen Erfahrungen ausmachen.  Politischen Rückschlägen ist er in all den Jahren immer mit neuer Motivation begegnet: „Jeder muss schauen, was er tun kann. Ich habe eben Plakate entworfen.“

Einig waren sich alle vier aber, dass man nicht nur in die Vergangenheit schauen darf. Ein Rückblick in die sozialdemokratische Vergangenheit zeige, dass man auch aus den kleinen Dingen seine Kraft schöpfen könne. „Wir orientieren uns nach vorne“, bekräftigte Reichenbach mit Hinblick auf die anstehenden Wahlen im September und Klaus Staeck ermunterte abschließend: „Lasst Euch von der psychologischen Kriegsführung nicht verschrecken, da ist noch gar nichts verloren, geht raus zu den Menschen und redet über die Inhalte!“