Skip to main content

Praktikum in der Politik

Hannah Groll (15 Jahre), Schülerin aus Groß-Gerau absolvierte in ihren Herbstferien ein zweiwöchiges Praktikum im Wahlkreisbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Gerold Reichenbach.

„Ich habe in den zwei Wochen die Wahlkreisarbeit des SPD-Bundestagsabgeordneten Gerold Reichenbach kennen gelernt und erfuhr viel Neues und Interessantes von seinen Mitarbeitern. Da mein Praktikum in Sitzungswochen des Deutschen Bundestages lagen, konnte ich den Abgeordneten leider nicht persönlich treffen“, resümiert die Schülerin.

Die Praktikantin hatte vor allem die Aufgabe, die tägliche Presse auszuwerten und Einladungen zu beantworten. „Es kommen jeden Tag eine Menge Einladungen, zum Beispiel zur Worldwide Security Conference nach Brüssel“, berichtet Hannah Groll von ihrer Arbeit. Dass Herr Reichenbach nicht zu jeder Veranstaltung gehen kann, wurde ihr schnell klar, „also müssen auch manche abgesagt werden.“  

Zu den Aufgaben von Praktikanten gehört, so Groll, die Bearbeitung eines ausführlichen Fragebogens über das politische System der Bundesrepublik Deutschland, kommunale Politik, Deutschland und Europa. „Manche Fragen waren einfach herauszufinden, zum Beispiel die Anzahl der Abgeordneten in der SPD-Bundestagsfraktion.“ Dafür habe sie im Internet nachgeschaut: „Ich hatte die Lösung nach ein paar Klicks, 146 Sitze“, sagte Groll.

Aber was ist überhaupt ein Fraktion? Da musste dann schon ein wenig länger recherchieret werden. Aber auch dies konnte die Praktikantin klären, im Grunde genommen auch ganz einfach: „Eine Fraktion ist ein Zusammenschluss von mindestens 5% der Bundestagsmitglieder, diese müssen der selben Partei angehören oder dürfen nicht miteinander konkurrieren.“  Eine weitere Aufgabe im Praktikum ist ein Interview mit dem Abgeordneten mit eigenen Fragen zu führen. Abschließend sagte Groll: „Mir hat das Praktikum nur Positives gebracht und ich kann es nur jedem weiterempfehlen.“


Hannah Groll interviewte Gerold Reichenbach:

HG: Warum sind Sie Bundestagsabgeordneter geworden?

GR: Weil ich die Chance gesehen habe, bei Themen, für die ich mich im Kreis aber auch überregional engagiert habe, mitzubestimmen. Dazu gehörte der Katastrophenschutz, der Ausstieg aus der Atomenergie und die Umsteuerung zu erneuerbaren Energien, aber auch Themen wie Bürgerrechte und Integration.

HG: Wie kamen Sie zur Politik?

GR: Zunächst spielt da auch Zufall eine Rolle. Grundsätzlich war ich schon seit meiner Schulzeit politisch interessiert. Dann habe ich mich bei den Jusos und in der Kommunalpolitik engagiert. Dabei hatte ich eigentlich nie das Ziel vor Augen, einmal Berufspolitiker zu werden. Als die Partei dann für den Kreis neue Kandidaten für den Landtag und später den Bundestag gesucht hat, habe ich nach reichlicher Überlegung kandidiert und mich gegen die Mitbewerber durchgesetzt.

HG: Wie sieht Ihre Arbeit als Bundestagsabgeordneter aus?

GR: Zuerst einmal habe ich zwei verschiedene Arbeitsplätze, der Bundestag in Berlin und mein Wahlkreis in Groß-Gerau. Im Wahlkreis gehört zur Arbeit den Kontakt zu den Bürgern zu halten, zu Firmen, Betriebsräten, Gemeinden, Vereinen, Verbänden und Initiativen sowie zur SPD und ihren Gliederungen vor Ort, um Themen und Probleme aufzunehmen und zu ihrer Lösung beizutragen, sie in die Bundespolitik zurück zu koppeln und bundespolitische oder auch einfache Alltagsfragen zu diskutieren. Hinzu kommen individuelle Fragestellungen und Probleme, die von Bürgern in Sprechstunden oder bei anderen Gelegenheiten vorgebracht werden und um deren Beantwortung oder Lösung ich mich mit meinen Mitarbeitern bemühe.
In Berlin bin ich Mitglied im Innenausschuss und dort für meine Fraktion für Fragen des Datenschutzes, für Cybersicherheit, für kritische Infrastrukturen, für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz zuständig. Daneben bin ich Mitglied im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement und stellvertretender Vorsitzender der Enquete „Internet und digitale Gesellschaft“. Bei all diesen Themen gilt es Gesetzesvorhaben zu begleiten, Anträge für die Fraktion vorzubereiten, die politische Diskussion zu verfolgen, sowohl national als auch auf europäischer Ebene, sowie Kontakt zu allen wichtigen Akteuren zu halten und die Fraktion bundesweit bei Diskussionen und Veranstaltungen zu diesen Themen zu vertreten.   
HG: Wie stehen sie zum Eurorettungsschirm?

GR: Grundsätzlich halte ich die Versuche, den Euro zu retten nicht nur für den Zusammenhalt und damit auch den Frieden in Europa, sondern gerade auch im Interesse der deutschen Wirtschaft und der ArbeitnehmerInnen für wichtig. Aber er kam zu spät und war zu klein. Alles, was Frau Merkel vorher kategorisch ausschloss, machte sie mit Verspätung dann doch. Dadurch wurde alles viel teurer. Und auch heute noch sagt sie den Menschen in diesem Lande nicht die volle Wahrheit. Hinzu kommt eine einseitige Sparpolitik, die die Reichen in den Ländern schont, die breite Masse der Bevölkerung brutal mit Steuererhöhungen, Lohn- und Rentenkürzungen belastet, die Jugend in die Massenarbeitslosigkeit und die betroffenen Volkswirtschaften in Rezession und die Länder weiter in die Krise und Verschuldung stürzt. Wir müssen endlich die Banken an den Lasten der Krise, die sie ursächlich zu verantworten haben, beteiligen. Und wir müssen diesen Ländern helfen, durch Wachstum wieder zu Einnahmen und Kaufkraft zu kommen, damit sie die Schulden wieder abbauen können. Die Krise, die besonders Merkel mit ihren einseitigen Sparvorgaben in diesen Ländern dramatisch verschärft hat, kommt inzwischen auch bei uns an. Etwa in der Autoindustrie, weil die Nachfrage in den südeuropäischen Ländern aufgrund der Krisenfolgen dramatisch eingebrochen ist.     
HG: Sollten Politiker, die in ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben, zurücktreten (Bsp. Guttenberg, Schavan), oder sollte man sie nur nach ihrer Politik beurteilen?

GR: Also gerade bei einer Bildungsministerin halte ich den Rücktritt für unumgänglich. Jeder Schüler der beim Spicken erwischt wird, kriegt eine sechs.

HG: Glauben Sie, die SPD hat bei der nächsten Bundestagswahl Chancen, eine Rot-Grüne Regierung zu bilden?

GR: Eindeutig ja.

HG: Ihre Meinung zur Vorratsdatenspeicherung?

GR: Ich halte die Vorratsdatenspeicherung in dem Umfang, wie sie durch die Europäische Union jetzt vorgegeben ist und von den Mitgliedsstaaten in nationale Gesetze umgesetzt werden muss, für rechtsstaatlich hochproblematisch. Sie müsste dringend bei der jetzt anstehenden Überprüfung verändert werden.
Leider zeigt da die Bundesregierung in Europa keine Initiative, weil sie bei dem Thema heillos zerstritten ist.
Ich persönlich halte eine auf unter drei Monate befristete Speicherung der sogenannten IP-Adressen, also der Adresse die ein Rechner oder Mobiltelefon jeweils neu zugeteilt bekommt, wenn es mit dem Internet verbunden wird, für machbar. Aber dann darf sie von der Polizei und den Staatsanwaltschaften nur für die Verfolgung oder Verhinderung besonders schwerer Verbrechen und nicht einfach für kleinere Straftaten wie Urheberrechtsverletzungen abgefragt werden.
Telefonverbindungen sollten, wenn, dann überhaupt nur für wenige Tage gespeichert werden dürfen und dies ohne Ortsidentifizierung. Das wäre für mich ein noch tragbarer Kompromiss.
Für viel richtiger hielte ich es aber, wenn die EU diese Richtlinie wieder aufheben würde.