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Unbequem und untypisch – Die „Trauernde Frau“ in Kelsterbach

Zum 14. Mal veranstaltet der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach in diesem Jahr die History-Tour unter der Schirmherrschaft des Historikers und Germanisten Prof. Dr. Ernst Erich Metzner. Die vierte Station fand am Mittwoch in Kelsterbach statt.

Rund 20 Interessierte versammelten sich am Mittwochabend in Kelsterbach, als Gerold Reichenbach und Stadtarchivar Hartmut Blaum zur History-Tour auf den Stadtfriedhof eingeladen hatten. Im Zentrum des Vortrags stand dabei das Denkmal „Trauernde Frau“ aus dem Jahr 1928, eine von Bürgern gestiftete Steinskulptur aus Muschelkalk, die an die 120 Kelsterbacher Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnert. Sie stellt eine zusammengekauerte, trauernde Frau dar und verkörpert Leid und Trauer von Front und Heimat. 

Ursprünglich als „Nie wieder Krieg“-Denkmal gut sichtbar am Mainufer gegenüber der heutigen Bürgermeister-Hardt-Schule aufgestellt, war das präfaschistische Monument der Ortsgruppenleitung der Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Bemerkenswert ist auch, dass das Denkmal keinen Soldaten, sondern eine Frau und damit nicht den Helden, sondern den Verlust in den Vordergrund stellt. Es wurde schließlich 1936 auf den Stadtfriedhof versetzt. Mit einer neuen Inschrift „Unseren Toten zum Gedenken“ verschwand nun auch der letzte Hinweis auf die ursprüngliche Bedeutung als „Nie wieder Krieg“-Denkmal. Am ursprünglichen Stellplatz am Mainufer wurde ein „Heldendenkmal“ erschaffen, das die Bevölkerung auf den nächsten Krieg und die Jugend auf den „Heldentod“ vorbereiten sollte. 

Der Erste Weltkrieg löste im Zuge der Mobilmachung durch Kaiser Wilhelm II. und der von ihm ausgerufenen „gerechten Verteidigung“ anfänglich auch in Kelsterbach eine große Euphorie aus - trotz anstehender Erntezeit. Die Hungersnot verschlimmerte sich mit fortschreitendem Krieg; und auch die Glanzstofffabrik auf dem Enka-Gelände beklagte den Verlust ihrer Arbeiter. Die Kriegseuphorie kippte schließlich durch die sich verschlechternden Lebensumstände und die zahlreichen Verletzten und Toten. „Es ist seltsam, dass sich der im Ersten Weltkrieg herrschende Nationalismus auch nach dem Krieg weiter durchsetzte und so schlussendlich zum Auslöser für den Zweiten Weltkrieg wurde“, schloss Reichenbach.