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Meine Erklärung zur Abstimmung über den Bundeswehreinsatz gegen den IS

Ich habe dem Bundeswehrmandat gegen den IS am 4. Dezember 2015 zugestimmt. Fast 300.000 Tote und zwölf Millionen Flüchtlinge: Das ist die traurige Bilanz des seit fast fünf Jahren andauernden Bürgerkriegs in Syrien. Auch die europäische Dimension der Entscheidung schätze ich wesentlich bedeutender ein.

Ich bin selbst im September 2015 zusammen mit einer Bundestagskollegin und einem Kollegen aus dem Innenausschuss in der Kurdenregion im Nordirak gewesen, rund 30 km hinter der Front zum IS, wo das THW in Flüchtlingslagern engagiert ist.

Syrien als Staat hat in seiner ursprünglichen Form aufgehört zu existieren. Weite Teile des Landes befinden sich unter Kontrolle des sogenannten „Islamischen Staates“, der in seinem Herrschaftsgebiet ein Terrorregime etabliert hat und von dort aus Anschläge in der Region und darüber hinaus organisiert.

Ohne militärische Bekämpfung des IS sehen wir wieder wie vor einigen Jahren auf dem Balkan einem Völkermord zu, wo die halbherzige Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft die Lage eher eskalieren denn zu deeskalieren half. Ich habe das grausame Vorgehen der Bürgerkriegsparteien gegen Frauen und Kinder dort als THW-Helfer selbst miterlebt und war empört über die internationale und deutsche Zurückhaltung.

Die jüngsten Attentate von Ankara, Beirut, Tunis, auf dem Sinai und in Paris ziehen eine Blutspur vom Nahen und Mittleren Osten bis nach Europa. Die Anschläge vom 13. November 2015 in Paris galten nicht nur Frankreich, sondern uns allen. Sie richteten sich gegen unsere Werte und unsere Art zu leben. Deshalb ist jetzt auch die Solidarität aller Europäer gefordert. Frankreichs Präsident Hollande hat Deutschland gebeten, sich auch mit militärischen Mitteln der internationalen Allianz von insgesamt 64 Staaten in ihrem Kampf gegen den IS anzuschließen.

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Dezember 2015 nach ausführlicher Debatte mit großer Mehrheit dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt, militärische Fähigkeiten im Kampf gegen den IS bereitzustellen. Dazu gehören sowohl Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers. Das Ziel dieses Mandates ist klar umrissen: Es geht darum, den IS zu bekämpfen, seine Rückzugsräume zu zerstören und zu verhindern, dass er weiterhin in vielen Ländern Angst und Schrecken verbreitet.

Dieser Einsatz ist völkerrechtlich legitimiert. Deutschland unterstützt Frankreich, den Irak und andere Länder im Kampf gegen den IS auf Grundlage des Rechts der kollektiven Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der VN-Charta zum Ausdruck gebracht wird.

In mittlerweile drei Resolutionen hat der VN-Sicherheitsrat festgestellt, dass der IS weltweit eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit ist - zuletzt in der Resolution 2249 vom 20. November 2015. Darin hat der Sicherheitsrat nach den Anschlägen von Paris die Staatengemeinschaft aufgerufen, alle notwendigen Maßnahmen gegen diese Bedrohung zu ergreifen. Ebenfalls nach den Anschlägen von Paris hat sich Frankreich als erster Mitgliedstaat der EU auf die Beistandsklausel in Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages berufen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es unabhängig von der Notwendigkeit den IS militärisch eindämmen zu müssen für den Syrienkonflikt letztlich nur eine politische Lösung geben kann. Der politische Prozess steht für uns weiterhin im Vordergrund. Das militärische Handeln wird in diesen politischen Prozess eingebettet sein und bleiben. Hierfür setzt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit ganzer Kraft ein. Mit Hilfe der Vereinten Nationen und ihrem Sonderbeauftragten Staffan de Mistura soll eine politische Lösung erarbeitet werden.

Am 30. Oktober und 14. November 2015 kam es in Wien erstmals zu einer Zusammenkunft aller regionalen Akteure unter Einschluss des Iran, Saudi-Arabiens, aber auch Russlands und der USA. Dass es gelungen ist, die genannten Länder an einen Tisch zu holen, ist auch ein Erfolg der deutschen und europäischen Diplomatie. Hier wurden die Weichen für einen Fahrplan gestellt, den Syrienkonflikt politisch zu lösen und dem Morden endlich Einhalt zu gebieten. Noch in diesem Monat soll eine dritte Folgekonferenz in New York stattfinden mit dem Ziel, ab Januar einen Waffenstillstand in Syrien zu erwirken.

Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich darin, ihre Aktivitäten gegen den internationalen Terrorismus und gegen den IS zu verstärken. Hierzu gehören vor allem die bereits in der UN-Sicherheitsratsresolution 2170 vom 15. August 2014 unter Kapitel VII der VN-Charta beschlossenen Maßnahmen gegen den IS, Al-Qaida und mit ihnen verbündete Terrorgruppen. Insbesondere die Anwerbung und Ausreise von ausländischen terroristischen Kämpfern nach Syrien muss unterbunden werden.

Ebenso müssen die in der Resolution aufgeführten Maßnahmen zur Unterbindung der Finanzierung des Terrorismus konsequent und von allen Staaten angewendet werden. Der illegale Verkauf von Öl und anderen Ressourcen sowie der ungehinderte Finanzzufluss an den IS – oftmals durch staatliche Institutionen geduldet oder gar organisiert – muss mit allen Mitteln gestoppt werden. Dazu gehört aber auch, die Störung der Förder- und Transportmöglichkeiten in den IS-kontrollierten Gebieten und dies geht zurzeit nur aus der Luft.

Die deutschen Behörden arbeiten in der Terrorismusbekämpfung bereits sehr eng und in einem breiten Spektrum von Maßnahmen mit Frankreich zusammen. Diese enge Kooperation gilt es, auf alle EU-Staaten und darüber hinaus auszudehnen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der IS-Terror zu einem „Kampf der Kulturen“ entwickelt. Nach wie vor sind die meisten Opfer des IS Muslime. Die Anschläge von Paris dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, gegen Flüchtlinge zu hetzen und Muslime auszugrenzen. Im Gegenteil: Unsere Anstrengungen zur Integration insbesondere junger Muslime müssen gesteigert werden, um Parallelgesellschaften und Ghettobildung zu verhindern. Ebenso müssen ausländische Kämpfer daran gehindert werden, in die Kriegsgebiete ein- und auszureisen. Es ist Aufgabe des Rechtsstaates, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen. Nur durch diesen gesamtpolitischen Ansatz wird es möglich sein, das terroristische Treiben des IS einzudämmen und damit künftig Terroranschläge zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

In Anbetracht der über sechs Millionen Binnenflüchtlinge und über vier Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern und in Europa müssen wir weiterhin humanitäre Hilfe und die sogenannte Übergangshilfe leisten. Seit 2012 hat Deutschland über 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Durch die Initiative von Bundesminister Frank-Walter-Steinmeier ist es gelungen, dass auch weitere Staaten ihre Ausgaben für die Flüchtlingshilfe in der Region erhöht haben. Im Haushalt 2016 haben wir den Ansatz für Humanitäre Hilfe und die zivile Krisenprävention um über 400 Millionen Euro aufgestockt.

Wir werden unser Engagement für die Flüchtlinge und Hilfsbedürftigen in der Region in Abstimmung mit unseren internationalen Partnern und den Partnerorganisationen vor Ort fortzusetzen und - wo möglich und nötig - verstärken.