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Rechtsstaatlichkeit und Demokratie: Gerold Reichenbach und Adnan Türkkan im Gespräch

Vergangenen Sonntag trafen der türkische Journalist und Chefredakteur des Senders Ulusal TV Adnan Türkkan und der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach junge Menschen im Landratsamt Groß-Gerau, um mit ihnen über Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu diskutieren.

Anlass hierfür boten die jüngsten Ereignisse in der Türkei, bei denen vor allem die Jugend der Türkei eine demokratische und rechtsstaatliche Türkei fordert.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Sedat Cakir, dem Leiter des Integrationsbüros des Kreises Groß-Gerau. „Menschen mit türkischer Zuwanderungsgeschichte in Deutschland verfolgen Politik mit zwei Herzen“, so Cakir. Die Politik in Deutschland und jene in der Türkei seien für sie gleichermaßen von Bedeutung. Daher bestehe Bedarf, Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aus deutscher und türkischer Perspektive zu diskutieren.

Der SPD-Politiker Gerold Reichenbach beleuchtete das Verhältnis zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem Deutschen Bundestag. Reichenbach begrüßte die Rolle, die das Bundesverfassungsgericht in Deutschland spielt und begründete dies mit der deutschen Vergangenheit: so seien die Nationalsozialisten durch Wahlen an die Macht gekommen; das Ermächtigungsgesetz, dem damals nur die Sozialdemokraten ihre Zustimmung verweigerten, befähigte die Reichsregierung unter Hitler jedes Gesetz zu erlassen. „Auch bei demokratischen Mehrheiten, muss eine Hürde gewahrt bleiben, nämlich jene zur Diktatur. Dafür ist in Deutschland in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht zuständig“, so der Bundespolitiker.

Adnan Türkkan berichtete, in der Türkei sei seit einigen Jahren eine Diskussion darüber im Gange, was Demokratie sei. Insbesondere die massive Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei, die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und der Universitäten sowie die schrittweise Ausschaltung der Opposition bereiteten ihm und anderen Menschen in der Türkei derzeit große Sorge. Eine Entwicklung der Türkei hin zum Autoritären und eine Schwächung der Zivilgesellschaft zeichneten sich seit Langem ab. Türkkan, der als kritischer Journalist und Gegner von Erdogans AKP im Ergenekon-Prozess selbst verurteilt wurde und nun in Deutschland Asyl gefunden hat, hat diese Entwicklung am eigenen Leib erfahren.

Reichenbach forderte den Beitrittsprozess der Türkei zur Europäischen Union wieder stärker in Gang zu setzen und darüber Druck auf die Türkei auszuüben, sich wieder auf den Weg eines demokratischen Systems zurückzubewegen. Reichenbach sagte abschließend „Entscheidend ist aber nicht nur, was in den Gesetzen steht, sondern ob die Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Rechtsstaat und der Demokratie steht.“ Daher sei eine wachsame und aktive Zivilgesellschaft für den Aufbau und Erhalt einer Demokratie unverzichtbar. In Bezug auf Deutschland appellierte der Abgeordnete daher auch an alle Bürgerinnen und Bürger, ihr Recht wählen zu gehen, auch wahrzunehmen.