Herr Reichenbach, ich erwähne in meinem Artikel zum Thema Stromausfall die in der Sendung Quarks und Co. genannte Möglichkeit, dass unser Stromnetz in naher Zukunft radikal umgebaut werden könnte. Der Strom könnte dann in beide Richtungen fließen, er wäre auf viele kleine Stromproduzierer verteilt und die Wege für erneuerbare Energien wären frei. Halten Sie diese Möglichkeit für wahrscheinlich?
Ja. Ich glaube, dass der intelligenten Steuerung von Energienetzen die Zukunft gehört, sowohl was die Einbindung von erneuerbaren Energien, die effiziente Nutzung von Energieeinsparreserven, als auch die Möglichkeit gewonnene Energie für den späteren Verbrauch zu speichern betrifft. Damit steigt aber auch die Verwundbarkeit unserer Energieversorgung, weil alles von allem abhängig ist und alles mit jedem vernetzt ist.
Wer ist Ihrer Meinung nach im Falle eines Stromausfalls am schlechtesten vorbereitet, wer hat also am schlechtesten vorgesorgt?
Das ist eine schwierige Frage, weil ich glaube, dass es auf viele Bereiche zutrifft. Das sind zum einen die Mehrheit der Privathaushalte, aber auch große Teile der Wirtschaft und unserer Logistik, weil etwa die Versorgung mit Gütern, mit Nahrungsmitteln, mit Arzneimitteln bei einem länger anhaltenden Stromausfall massiv gestört sein wird.
Was wäre Ihrer Meinung nach die größte Gefahr, welche bei einem Stromausfall auf die Bevölkerung zukommt, oder kann man dies nicht so pauschal sagen?
Die größten Schwierigkeiten wird der Ausfall von Kommunikationsnetzen, wie Telefon, Mobiltelefon und Internet sowie die Störung von Logistikketten, also die Frage von Versorgung mit Benzin, der Ausfall beziehungsweise Teilausfall des öffentlichen Personennahverkehrs oder auch der Ausfall von Lieferungen von Waren und Gütern bis hin zur Bargeldversorgung sein. Daneben werden wir erhebliche Probleme in unserer alltäglichen Ver- und Entsorgungssituation erhalten, sowohl die Wasserversorgung, also auch die Entsorgung von Abwasser und Müll sind vom Strom abhängig.
Sollten wir unsere Strukturen, bezogen auf Massentierhaltung, ändern, um im Falle eines Stromausfalls besser mit der Situation umgehen zu können und ein Massensterben zu verhindern?
Also ich glaube, dass dieses Problem nicht einfach durch Dezentralisierung gelöst werden kann. Wir haben schlicht und einfach gar nicht mehr die Flächen, um diese Masse an tierischen Nahrungsmitteln zu produzieren, die in unserem Lande nachgefragt werden. Es gibt andere Gründe, zum Beispiel die des Tierschutzes oder der Qualität der Nahrungsmittelprodukte die dafür sprechen die Massentierhaltung zurückzufahren. Dies wird auch Auswirkungen haben auf die Frage des Stromausfalls und der Schäden, die bei einem Stromausfall in Massentierstellen entstehen können, aber grundsätzlich wird das Problem dadurch nicht gelöst.
Werden die Vorsichtsmaßnahmen für den Fall eines Stromausfalls, auch in Bezug auf das THW, in dem sie ja der Kreisbeauftragte des Kreises Groß-Gerau sind, vorangetrieben?
Ich glaube schon, dass in allen Landkreisen, auch in unserem in Groß-Gerau, seit dem Erscheinen der Studien, dem Grünbuch zu den Zukunftsherausforderungen für die öffentliche Sicherheit, das ich mit initiiert habe, der Technikfolgen-Abschätzungsstudie des Deutschen Bundestags aber auch vieler anderer Publikationen in diesem Bereich nachgebessert worden ist. Unser Landkreis ist dazu übergegangen wichtige Funktionen mit Notstrom auszustatten, zum Beispiel die Gefahrenabwehrzentrale, also die Zentrale die Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst koordiniert und in denen im Katastrophen- oder im Krisenfall der jeweilige Krisenstab tagt. Die sind abgesichert. Das THW hat eigene, große Notstromanlagen, mit denen es sich selbst und auch dritte versorgen kann, aber man muss wissen, dies wird nur reichen für die allerwichtigsten Funktionen, für die Aufrechterhaltung etwa der eigenen Funktionsfähigkeit des THW, für die Unterstützung des Landkreises, vielleicht auch noch für Unterstützungsleistungen bei dem ein oder anderen Krankenhaus, aber es wird nicht dazu ausreichen die Wirtschaft oder auch breite Teile der Bevölkerung auch noch mit Notstrom zu versorgen.
Das Interview führte Iris Kasper.