Erfahrungsbericht von Theresa Dhein

Theresa (erste Reihe mitte) mit einer der Sportmannschaften ihrer Schule

Im Sommer 2014 habe ich als Teil einer Gruppe von sechzig neugierigen Schülern mein Abenteuer USA begonnen. Es fühlt sich wie gestern an. Neugierde, Nervenkitzel, Naivität und Aufregung vertreiben alle Gedanken an Trauer um das gewohnte Umfeld. Das Ziel war, sich selbst herauszufordern und eine Erfahrung zu machen, die nicht der Norm entspricht. So ganz und gar nicht. Die Herausforderung ist mir gut gelungen. Mit 16 Jahren alleine in der Fremde lernt man definitiv seine Grenzen kennen, überschreitet sie, verlässt die eigene Komfortzone, nur um sie danach umso mehr wertzuschätzen. Wert ist nach meinem Auslandsaufenthalt ein wichtiges Schlüsselwort für mich. Durch das Jahr haben sich meine Werte verändert und entwickelt. Wie frei Jugendliche in Deutschland sind, wissen sie meist selbst nicht.

Die amerikanische Kultur ist auf Autos ausgelegt. Kindern ist es fast unmöglich sich selbstständig von Punkt A nach Punkt B zu bewegen, was die Eltern aufgrund der Kriminalitätsrate oft nicht einmal ablehnen. Als Jugendlicher ohne Führerschein fühlt man sich auf diese Weise jedoch schnell von Freunden und Umfeld abgegrenzt.

Ich fühle mich privilegiert in einer Gesellschaft zu leben in der keine Studiengebühren anfallen und in der jedem Individuum die gleichen Chancen zustehen. Oft ist das Studium in den USA ohne Stipendium oder wohlhabende Eltern gar nicht möglich. Ein schmerzlicher Verlust des Landes um die, die die Intelligenz und den Ehrgeiz haben, sich eines anspruchsvollen, jedoch kostspieligen Studiums anzunehmen. Oftmals wird den eben geschilderten betroffenen Jugendlichen der Beitritt zum Militär als einzig sinnvolle Möglichkeit dargestellt. Das amerikanische Militär ist mindestens so ausgeprägt wie der Patriotismus für das eigene Land. An einem gesunden Patriotismus ist nichts auszusetzen, wenn es allerdings in Fremdenhass, wie ich es oft erlebt habe, überschlägt, hat das gefährliche Auswirkung für die nächsten Generationen. Viel wichtiger, um ein friedliches Miteinanderleben zu garantieren, ist es, Akzeptanz und Respekt zu lehren. Die Kenntnisse anderer Länder sind häufig ohnehin beschränkt, da eine Ausreise für den Amerikaner weder für Urlaub noch für Abwechslung nötig ist.

Während rund elf Prozent der amerikanischen Bevölkerung nicht krankenversichert sind, besteht diese Sozialabsicherungspflicht seit 1883 für deutsche Bürger. Auf einen Arztbesuch habe ich, nachdem ich für eine Grippebehandlung 280 Dollar bezahlen musste, verzichtet.

Ich denke eine andere Mentalität und Denkweise kann niemals ganz verstanden werden, außer man wächst damit auf. Man kann nur versuchen, so viel wie möglich darüber zu erfahren und mit dem Wissen seine eigene Denkweise zu hinterfragen. Der Austausch vieler, unterschiedlicher und spannender Kulturen regt dazu an, sich über die eigene Kultur Gedanken zu machen. Ich habe durch dieses Jahr viel über mich selbst gelernt. Menschen aus anderen Kulturen fallen andere Dinge an deiner Verhaltensweise auf als Menschen der eigenen Kultur. Bei meiner Ankunft in Deutschland konnte ich meine Heimat erstmalig durch die Augen eines Fremden betrachten und bewerten. Ich genieße Dinge, die ich vor meinem Aufenthalt selbstverständlich hingenommen habe, weil ich jetzt weiß, dass es auch anders sein könnte und dass andere Menschen nicht diese Möglichkeit haben.

Wenn ich heute Menschen auf der Straße oder im Bus eine andere Sprache reden höre, verbinde ich damit Erinnerungen an Freunde auf der anderen Seite der Welt. Mein Interesse an anderen Kulturen und Menschen ist gewachsen, denn ich weiß, wie wenig ich wirklich darüber weiß. Kein Buch und keine Bilder lassen dich so tief in eine Kultur eintauchen, wie das Erleben des Alltags, der Menschen und der Sprache persönlich. Als Teil der Erfahrung bekommen wir Jugendlichen ein anderes, ein weiteres Bild einer funktionierenden Familie vermittelt. Viele der Gruppe werden nie wieder die Möglichkeit dazu haben.

Was mir sehr gut gefällt, ist die Einstellung gegenüber „community service“. Amerikaner mögen es, nicht nur Dinge umsonst zu bekommen, wie zum Beispiel freie „refills“, sondern machen im Gegenzug auch viel ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Schon früh wird angefangen Jugendliche an soziale Arbeit heranzuführen und sie erfahren zu lassen, wie viel Gutes zurückkommt, wenn man Gutes tut. Auch ich habe in den USA erst so richtig gemerkt, dass es sehr viel Spaß macht zu helfen. Dankbarkeit ist das schönste Geschenk, das man bekommen kann. So habe ich bei der Essensausgabe für Obdachlose geholfen, so wie auch bei der Beschäftigung geistig behinderter Kinder. Eine Bereicherung beider Seiten. Diese Erfahrung hat mich dazu motiviert auch in Deutschland etwas Ähnliches fortzuführen.

Ich kann von mir behaupten, dass das Jahr meine Persönlichkeit gestärkt, meinen Horizont erweitert und mich selbstbewusster gemacht hat. Ein Jahr lang war man die, die so lustig gesprochen hat, so komische Sachen gegessen hat und so komische Sachen gemacht hat. Wenn ich heute komisch angeguckt werde, kann ich mich immerhin in meiner Muttersprache verteidigen oder es getrost ignorieren.

Jedes Land pflegt andere Bräuche, Sitten und Verhaltensweisen. Wir sollten nicht so schnell über anderes urteilen, denn es gibt keine falsche Art und Weise etwas zu tun, sondern sehr viele verschiedene. Jeder Mensch kommt als unbeschriebenes Blatt zur Welt und wird durch das Umfeld erst geprägt und geformt. Auch wenn uns etwas nicht passt, müssen wir dies manchmal auch lernen zu akzeptieren.

Hier gibt es Theresas Erfahrungsbericht in englischer Sprache.