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Reichenbach stimmt gegen weitere »Griechenlandhilfen«

Anlässlich der Abstimmung im Deutschen Bundestag über die erneute Bewilligung von Milliardenkrediten an die Hellenische Republik und die an die Kredite geknüpften Bedingungen erklärt der Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach:

Für mich ist eine erneute Zustimmung zum Antrag der schwarz-gelben Bundesregierung, der die Zahlung von 130 Milliarden Euro an Griechenland vorsieht, nicht mehr tragbar. Die Auszahlung der Kredite ist erneut an eine rigide Sparpolitik geknüpft. Wachstumsimpulse zur Stärkung der Wirtschaft, ohne die eine Konsolidierung des griechischen Haushalts langfristig aber nicht möglich ist, sind nicht vorgesehen.

Natürlich ist es nicht in Ordnung, dass in Griechenland Statistiken gefälscht wurden um tatsächliche Haushaltsdefizite zu verschleiern. Und natürlich sollte Griechenland seinen aufgeblähten Staatsapparat verkleinern, Vetternwirtschaft bekämpfen und  - auf lange Sicht - seinen Staatshaushalt konsolidieren. All diese Forderungen waren bereits an vorangegangene Zahlungen geknüpft. Sie wurden von der griechischen Regierung eingeleitet und  - entgegen der Berichterstattung über Ausschreitungen einer kleinen Minderheit gegen diese Maßnahmen - von einem breiten Konsens der griechischen Bevölkerung getragen.

Die Auflagen der Troika bestehend aus EU, IWF und EZB, die auch die schwarz-gelbe Bundesregierung unterstützt, fordern jedoch weiterhin tiefgreifende Einschnitte für die griechische Bevölkerung, die in Bezug auf ihre Löhne und ihre soziale Absicherung enorme Einbußen hinnehmen muss. Auch die Handlungsfähigkeit der griechischen Regierung wird auf ein Minimum reduziert, sodass in der aktuellen Situation weder von Seiten der Regierung noch von Seiten der griechischen Wirtschaft Anreize für Wachstum kommen können. Die Kredite dienen hauptsächlich dafür, dass internationale und deutsche Unternehmen und Banken von griechischen Zahlungsausfällen verschont und damit Gewinneinbußen vermieden werden. Am Ende zahlen hierfür deutsche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ebenso wie das griechische Volk.

In meinen Augen misst die Regierung Merkel mit unterschiedlichem Maß: im Zuge der Finanz- und Bankenkrise, die 2007 begann, wurden den Banken hunderte Milliarden von Euro in den Rachen geworfen. Eine umfassende gesetzliche Regulierung der Finanzmärkte war hier nicht die Folge. Die Finanzwirtschaft konnte weitestgehend weitermachen wie bisher. Heute geht es um 130 Milliarden Euro für einen Staat und sein Volk. Hierfür werden Forderungen an Griechenland gestellt, die es unter menschenwürdigen Bedingungen für seine Bevölkerung kaum erfüllen kann. Dies birgt sozialen Sprengstoff und zeigt, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung sich nach wie vor zu sehr nach dem Wohl und Wehe der Banker und Manager richtet.

Ein echter Ausdruck von der so häufig beschworenen Solidarität mit dem griechischen Volk wäre es, den Krediten für Griechenland zuzustimmen und gleichzeitig Wachstumsimpulse in Griechenland zu geben.

Als Deutschland nach dem 2. Weltkrieg am Boden lag, wurden ihm Schulden erlassen – auch Griechenland war damals hieran beteiligt – und die internationale Staatengemeinschaft hat in den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft investiert. Andernfalls wäre ein deutsches Wirtschaftswunder nicht möglich gewesen. Wir sollten Griechenland beim Aufbau seiner Wirtschaft unterstützen und bei der Konsolidierung seines Haushalts, welche ohne Zweifel erfolgen muss, Zeit gewähren.

Die Konsolidierung des Staatshaushaltes kann dermaßen schnell, wie die Regierung Merkel dies fordert, realistisch nicht vonstatten gehen. Dies einzusehen und öffentlich zu kommunizieren wäre auch von Seiten der Bundesregierung wünschenswert. Dies wäre ein Ausdruck von Ehrlichkeit gegenüber den deutschen und gesamteuropäischen Bürgerinnen und Bürgern sowie ein echter Ausdruck von Solidarität und  - etwas, das in der Debatte zunehmend verloren zu gehen scheint - Respekt für unsere Nachbarinnen und Nachbarn im Süden, heute insbesondere für Griechenland.